Wieso brecht ihr eure Lehre ab?

Ich kenne meine Grenzen und mache nur das, was ich kann.

Fast ein Viertel der Lehrlinge löst jährlich den Lehrvertrag auf. Wieso? Wir haben mit einer Expertin über die ziemlich eindeutigen Zahlen gesprochen.

«So hab ich mir die Lehre aber nicht vorgestellt», «Die Schule ist viel zu anstrengend» und «Ich glaub ich werde dann doch lieber arbeitslos». Ausreden für die fehlende Motivation während der Lehre finden sich viele. Glaubt uns, wir kennen sie auch. Den Job deswegen aber gleich aufzugeben ist nur dann sinnvoll, wenn du auch wirklich unter deiner Arbeit leidest.

«Ich passe eigentlich gar nicht in den Betrieb»

«Lehrvertragsauflösungen erfolgen meist nicht aus einem einzigen Grund», erzählt uns Dr. Irene Kriesi. Die Soziologin weiss, dass jeweils mehrere Faktoren zusammenspielen, die einige von uns schliesslich dazu verleiten, die Lehre hinzuschmeissen. «Häufig spielen etwa Leistungsprobleme, persönliche Probleme oder die nicht ausreichenden Informationen über den Beruf und den Lehrbetrieb eine Rolle», sagt Kriesi. Das Resultat: «Diese Arbeit interessiert mich ja gar nicht» und «Ich passe eigentlich gar nicht in den Betrieb».

Firmen selber bringen junge Mitarbeiter an ihre Grenzen und leisten ihren Beitrag dazu, dass wir auch mal mit Vertragsauflösungen liebäugeln: «Betriebe weisen oftmals unterschiedliche Ausbildungsbedingungen auf», so die Soziologin. Das Spektrum reiche von Firmen mit sehr guter Betreuung bis hin zu solchen, die Lernende in erster Linie als billige Arbeitskräfte benutzen. Und wer zu moderner Sklavenarbeit verdonnert wird, dem gönnen wir die Lehrvertragsauflösung auf jeden Fall.

Die Arbeitsbedingungen seien aber nicht immer der ausschlaggebende Punkt: «Die Arbeit mit Materialien, die die Jugendlichen nicht vertragen, unregelmässige Arbeitszeiten oder die strenge körperliche Arbeit stellen auch Gründe für die Beendigung des Lehrvertrags dar.» Wenn der angebliche Traumjob also nicht wirklich der Vorstellung entspricht und wir statt auch nur einen weiteren Tag auf der Arbeit zu verbringen, tausendmal lieber nochmals Mathi-Formeln und französisch Voci büffeln würden.

Positiver Neuanfang im neuen Beruf

Die Enttäuschung über das «Versagen» sei schliesslich gross. «Wenn die Jugendlichen während der Arbeit aber leiden, kann die Lehrvertragsauflösung durchaus auch eine Erlösung sein», erzählt Kriesi. Die meisten Jungen, die nach einem Neuanfang den Einstieg in die Berufswelt wieder gefunden hätten, seien letztendlich viel zufriedener als im alten Betrieb.

Andererseits bleiben aber auch einige Teenager auf der Strecke. Diejenigen, die zu faul und demotiviert sind, um sich um eine neue Lehrstelle zu bemühen, lieber auf der Couch chillen, Party machen – und auch in zehn Jahren noch an der gleichen Stelle versauern.

«Die Lehrvertragsauflösung kann bedeutende berufliche Folgen haben. Wer den Wiedereinstieg in eine zertifizierende Ausbildung nicht mehr findet, bleibt eher langzeitarbeitslos und im Tieflohnsektor beschäftigt», sagt Kriesi. Und das könne auch Auswirkungen auf die Lebenskarriere haben. Bevor ihr euch nun auf die faule Haut legt, auf die Ausbildung scheisst und denkt, dass ihr ja auch gut mit dem Arbeitslosengeld auskommt, überlegt euch das bitte nochmals ganz genau.

Unterstützung von den Eltern, dem Betrieb und dem Staat

«Wichtig ist, dass Jugendliche auf ein unterstützendes Netzwerk zurückgreifen können.» Seien dies nun ehemalige Lehrmeister, Eltern oder alte Lehrer, die die angehenden Lehrlinge ermuntern und motivieren sollen. Ausserdem bieten Kantone spezifische Betreuungsangebote und Präventionsprogramme, mit denen Probleme schnell erkannt werden und die in Krisensituationen weiterhelfen. Zudem müssen Betriebe dafür sorgen, dass ihre jüngsten Mitarbeiter vorgängig genügend Informationen über den Ausbildungsalltag und die internen Regeln erhalten. Schliesslich sei jeder Fall, der ausbildungslos bleibt, einer zu viel.